DIN Verbraucherrat

2016-06-30

Kritische Verbrauchersicht zu dem internationalen Norm-Entwurf „Natürliche Lebensmittelzutaten“

Die Erwartungen von Verbrauchern und Lebensmittelwirtschaft zu den Anforderungen an „natürliche Lebensmittelzutaten“ gehen erwartungsgemäß weit auseinander. Daher war es in den vergangenen zwei Jahren nicht möglich, ein aus unserer Sicht akzeptables Dokument zu erarbeiten.

Neuer InhaltAls „natürlich“ beworbene Lebensmittel, werden von Verbrauchern verstärkt nachgefragt. Für Hersteller ist die Bewerbung mit „Natürlichkeit“ somit zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor geworden, wie Studien von Marktforschern zum Projekt „Clean Label“ belegen. Gleichzeitig mehren sich die Beispiele von Aufmachung und Kennzeichnung mit dem Hinweis auf „Natürlichkeit“, die für die Verbraucher irreführend sind. Eine einheitliche Definition existiert bislang nicht.
Mit diesem Thema hat sich in den letzten zwei Jahren das internationale Normungsgremium  ISO/TC 34 beschäftigt und einen ISO-Norm-Entwurf erstellt, in dem die technischen Kriterien festgelegt werden sollen, um eine Lebensmittelzutat als „natürlich“ zu beschreiben. Der Anwendungsbereich des aktuellen Norm-Entwurfs bezieht sich zwar nur auf die Business-to-Business Kommunikation (B2B), d. h. keine direkte B2C-Nutzung (Business-to-Consumer). Es ist jedoch zu erwarten, dass eine B2C-Kommunikation mit Produkten aus „Natürlichen Zutaten“ die Folge sein wird. Aufgrund dessen hat sich, wie im Juni 2014 berichtet, der DIN-Verbraucherrat an der Normungsarbeit beteiligt.
Die Erwartungen von Verbrauchern und Lebensmittelwirtschaft zu den Anforderungen an „natürliche Lebensmittelzutaten“ gehen erwartungsgemäß weit auseinander. Daher war es in den vergangenen zwei Jahren nicht möglich, ein aus unserer Sicht akzeptables Dokument zu erarbeiten.
Aufgrund von erheblichen generellen Mängeln aus Verbrauchersicht sowie bezüglich der folgenden Kernpunkte, lehnen die Vertreter des DIN-Verbraucherrats den aktuellen ISO-Norm-Entwurf ab.


1. Fehlende B2C-Kommunikation
Eine Folge der B2B-Kommunikation bezüglich „natürlicher Lebensmittelzutaten“ wird automatisch auch eine entsprechende Bewerbung der Endprodukte an den Verbraucher sein. Deshalb hatten die Verbrauchervertreter eine Änderung des Anwendungsbereichs gefordert.

2. Sektorspezifische Normen
Da es schwierig bzw. unmöglich ist eine umfassende und geeignete Definition der „Natürlichkeit“ für alle Lebensmittelzutaten zu beschreiben, wurde von den Verbrauchervertretern angeregt, lediglich eine Rahmennorm entstehen zu lassen, auf deren Grundlage sektorspezifische Normen folgen müssen. Die vage Beschreibung in der aktuellen Textfassung wird zur Folge haben, dass keine sektorspezifischen Normen entstehen werden, und geht den Verbrauchervertretern daher nicht weit genug.

3. Individuelle (besondere) Eigenschaft
Natürlichkeit wird von den Verbrauchern als ein hervorzuhebendes Merkmal wahrgenommen, welches ihre Kaufentscheidung wesentlich beeinflusst. Daraus ergibt sich selbstverständlich, dass diese „Anforderungen“ nicht von allen Herstellern und von allen Lebensmittelzutaten erfüllt werden können. Die Verbrauchervertreter hatten eine entsprechende Darstellung in der Norm gefordert, die jedoch keinen Einzug in den Text gefunden hat. 

4. Definition der technischen Kriterien
Die aktuelle Formulierung einer Definition der technischen Kriterien, die erfüllt werden müssen, um eine Lebensmittelzutat als natürlich bezeichnen zu dürfen, ist aus Verbrauchersicht nicht akzeptabel. Es konnte unter anderem kein Konsens darüber gefunden werden, bis zu welchem Grad Lebensmittelzutaten verarbeitet werden dürfen um sie noch als "natürlich" deklarieren zu können.
Neben anderen Kommentaren der Verbrauchervertreter wurden diese Kernpunkte in der bisherigen Normungsarbeit nicht angenommen. Dies zeigt sich in dem aktuellen ISO-Norm-Entwurf, der in keiner Weise mit der Verbrauchererwartung in Deckung kommt.

Eine weitere aktive Beteiligung der Verbraucherseite in dem Gremium könnte mit einer Zustimmung der Inhalte gleichgesetzt werden.  Um dies zu vermeiden, sahen sich die Vertreter des DIN-Verbraucherrats und des Verbraucherzentrale Bundesverbands gezwungen, sich aus der aktiven Mitarbeit zurückzuziehen.

Das Ergebnis der bisherigen Normungsarbeit ist der ISO-Norm-Entwurf ISO/DIS 19657, Definitions and technical criteria for food ingredients to be considered as natural. Das Dokument kann seit dem 06.06.2016 von der offiziellen ISO-Webseite (http://www.iso.org/iso/catalogue_detail.htm?csnumber=65717) bezogen werden. In der Umfragephase des Norm-Entwurfs können von allen interessierten Kreisen Stellungnahmen abgegeben werden. Die offizielle Umfrage läuft bis zum 10.09.2016.

Weitere Informationen zu diesem Projekt können über die Geschäftsstelle des DIN-Verbraucherrats (Josefine Sult) bezogen werden.

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