DIN/VDI-Normenausschuss Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik (NALS)
FAQ zur DIN 45680
Warum die Norm bestehen bleibt und eine Technische Spezifikation veröffentlicht wird
Die Bewertung tieffrequenter Geräusche ist komplex – und sorgt immer wieder für intensive Debatten. Seit 1997 bietet die Norm DIN 45680:1997-03 Methoden zur zuverlässigen Messung und Beurteilung dieser Geräusche. Ab 2005 begann die Arbeit an einer umfassenden Überarbeitung, doch trotz drei veröffentlichter Entwürfe konnte bisher kein fachlicher Konsens erzielt werden. Deshalb dient der jüngste Entwurf nun als Basis für eine neue Technische Spezifikation mit eigener Nummer, während die ursprüngliche Norm DIN 45680:1997-03 bestehen bleibt. Unser FAQ beantwortet Fragen zum aktuellen Stand und gibt einen Ausblick auf die nächsten Schritte.
Was beschreibt die DIN 45680:1997-03?
Die Norm mit dem Titel „Messung und Bewertung tieffrequenter Geräuschimmissionen in der Nachbarschaft“ wurde 1997 veröffentlicht. Sie beschreibt ein Verfahren zur Messung und Bewertung tieffrequenter Geräusche in schützenswerten Aufenthaltsräumen. Das informative Beiblatt 1 zu DIN 45680:1997-03 gibt Hinweise, wie die Wirkungen tieffrequenter Geräusche aus technischen Anlagen auf Menschen beurteilt werden können und wann eine erhebliche Belästigung durch tieffrequente Geräusche nicht mehr ausgeschlossen werden kann.
Die Norm und das Beiblatt werden in der sechsten allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) von 1998 referenziert.
Warum sollte die Norm überarbeitet werden?
Seit ihrer Veröffentlichung haben sich Technik, wissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Erwartungen weiterentwickelt. Ziel der Überarbeitung war es, das Verfahren an den aktuellen Stand von Forschung und Praxis anzupassen.
Warum wurde die Überarbeitung nicht als neue Norm veröffentlicht?
Trotz jahrelanger Arbeit, drei Entwürfen (2011, 2013, 2020) und umfangreicher Diskussionen konnte kein Konsens über die neuen Inhalte erzielt werden. Hauptkritikpunkt: Einige der Inhalte benötigen noch wissenschaftliche Bestätigung und eine Erprobung in der Praxis. Deshalb wurde entschieden, die Inhalte als Technische Spezifikation unter dem Titel DIN/TS 45610 – Teil 1 „Tieffrequenter Schall – Teil 1: Verfahren zur Messung, Bewertung und Beurteilung von tieffrequenten Schallimmissionen“ zu veröffentlichen. Dieses Format erlaubt vorläufige, noch nicht voll konsensfähige Regelungen. Ergänzend erscheint ein Technischer Report als DIN/TR 45610-2, „Tieffrequenter Schall – Teil 2: Ergänzende Informationen zum Verfahren zur Messung, Bewertung und Beurteilung von tieffrequenten Schallimmissionen“, der zusätzliche Hintergrundinformationen liefert.
Wer ist für Normen zuständig?
Normen werden in Arbeitsausschüssen des DIN (Deutsches Institut für Normung) erarbeitet. Hier arbeiten Fachleute aus Wissenschaft, Industrie, Verwaltung und Verbänden zusammen, um sicherzustellen, dass die Normen den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht werden und den aktuellen Stand der Technik widerspiegeln. Ziel ist ein ausgewogener Interessenausgleich, der die Qualität, Sicherheit und Umweltverträglichkeit von Produkten und Dienstleistungen fördert und gleichzeitig die Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft unterstützt. Durch die Normung werden somit einheitliche Standards geschaffen, die die Zusammenarbeit und den Austausch von Gütern und Dienstleistungen erleichtern und zugleich die Verbraucher und die Umwelt schützen.
Was genau bedeutet „Konsens“ in der Normung?
Entscheidungen in der Normung werden innerhalb eines Normenausschusses getroffen, in dem alle interessierten Kreise ihre Positionen vertreten dürfen. Das Ziel ist eine Lösung, die von allen Beteiligten mitgetragen werden kann – auch wenn nicht jeder in allen Punkten vollständig zustimmt.
„Konsens“ bedeutet demnach, dass es keinen anhaltenden Widerspruch gegen wesentliche Inhalte eines Normentwurfs gibt.
Die Podcastfolge „Konsens in der Normung“ der Reihe „Ameisentalk – die Normung gestern, heute und morgen“ liefert praktische Hinweise zur Umsetzung des Konsenses in der Normungsarbeit.
Was dürfen Normen – und was nicht?
Normen sind freiwillige Regeln, die von Experten erstellt werden, um die Qualität, Sicherheit und Umweltverträglichkeit von Produkten und Dienstleistungen zu gewährleisten. Sie dürfen nicht mit gesetzlichen Regelungen verwechselt werden, die von der Regierung erlassen werden und verbindlich sind. Normen sind empfehlend und sollen die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und die Sicherheit von Verbrauchern fördern, aber sie ersetzen nicht die gesetzlichen Anforderungen. Während gesetzliche Regelungen verbindlich sind und bei Nichteinhaltung strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können, sind Normen freiwillig und dienen als Leitfaden für Unternehmen und Organisationen, um ihre Produkte und Dienstleistungen zu verbessern. Normen können aber indirekt rechtliche Wirkung entfalten, wenn sie in Rechtstexten zitiert werden. Sie werden dann z. B. im Rahmen von Genehmigungen, als Produktvorschrift, bei Prüfungen oder in Gerichtsverfahren herangezogen.
Was ist eine Technische Spezifikation – und wie unterscheidet sie sich von einer Norm?
Eine Technische Spezifikation (DIN/TS) ist ein vorläufiges technisches Dokument des Normungsgremiums, das Inhalte enthält, für die noch kein Konsens vorliegt oder die wissenschaftlich noch nicht abschließend gesichert sind. Sie kann in der Praxis getestet und weiterentwickelt werden. Eine Norm (DIN) dagegen gilt als allgemein anerkanntes technisches Dokument, das den aktuellen Stand der Technik widerspiegelt und das unter breitem Konsens verabschiedet wurde.
Bleibt die alte DIN 45680:1997-03 also weiterhin gültig?
Ja. Die bisherige Norm wird nicht zurückgezogen und bleibt weiterhin anwendbar. Die neuen Inhalte werden als eine Technische Spezifikation veröffentlicht, die es ermöglicht, das neue Bewertungsverfahren zu erproben.
Was wird konkret veröffentlicht – und wann?
Spätestens Anfang 2026 erscheinen zwei neue Dokumente – die Technische Spezifikation und der Technische Report:
- DIN/TS 45610 – Teil 1: Tieffrequenter Schall – Teil 1: Verfahren zur Messung, Bewertung und Beurteilung von tieffrequenten Schallimmissionen
- DIN/TR 45610-2 – Teil 2: Tieffrequenter Schall – Teil 2: Ergänzende Informationen zum Verfahren zur Messung, Bewertung und Beurteilung von tieffrequenten Schallimmissionen
Wie geht es nach der Veröffentlichung der Technischen Spezifikation weiter?
Die Inhalte der Technischen Spezifikation können in der Praxis erprobt werden. Rückmeldungen aus der Anwendung sind ausdrücklich erwünscht. Diese können in eine zukünftige Normung einfließen – falls sich ein tragfähiger Konsens entwickeln lässt.
Die genauen Veröffentlichungsdaten der neuen Dokumente sowie Informationen zu allen relevanten Entwicklungen werden auf der Website des DIN/VDI-Normenausschuss Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik (NALS) zur Verfügung gestellt.