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Was bedeutet Klimaneutralität und wie können Normen dabei unterstützen
Am 26. Juni 2024 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass mit dem Begriff „klimaneutral“ nur geworben werden darf, wenn in der Werbung selbst erläutert wird, welche konkrete Bedeutung ihm zukommt. Der BGH begründete seine Entscheidung mit einer möglichen Irreführung der Konsument*innen durch die Mehrdeutigkeit des Begriffs und hat damit grundsätzlich strengere Anforderungen an umweltbezogene Werbung festgelegt.
Im Folgenden werden die wichtigsten Fragen rund um Klimaneutralität und Herausforderungen sowie den Nutzen von Normen und Standards beantwortet.
Was genau bedeutet „Klimaneutralität“?
„Klimaneutralität“ bezeichnet den Zustand, in dem das menschliche Handeln keine Nettoauswirkung auf das Klima hat. Dies bedeutet, dass die Menge an ausgestoßenen Treibhausgasen durch Maßnahmen wie die Vermeidung von Emissionen (mit Hilfe von Einsparungen an anderen Stellen, z. B. durch erneuerbare Energien) und die Aufnahme beziehungsweise Bindung von CO2 durch sogenannte Senken (z. B. Wälder, Moore und Ozeane) ausgeglichen wird. Unternehmen versuchen häufig, Emissionen an anderer Stelle mit nachhaltigen Projekten monetär zu kompensieren. (Quellen: Energie-Experten.org und din.de).
Worin besteht der Unterschied zwischen den Begriffen „klimaneutral“, „CO2-neutral“ und „treibhausgas-neutral“?
CO2-neutral bedeutet, dass durch eine Aktivität, ein Produkt oder eine Organisation netto keine zusätzlichen Kohlenstoffdioxidemissionen in die Atmosphäre freigesetzt werden oder dass diese kompensiert werden. Treibhausgasneutralität hingegen bezieht sich ferner nicht nur auf die Kompensation von CO2, sondern auch von Methan, Distickstoffoxid und verschiedenen Fluoriden sowie Fluorchlorkohlenwasserstoff. (Quelle)
Im Unterschied dazu beschreibt Klimaneutralität alle von Menschen verursachte Emissionen. Neben Treibhausgasen ist damit auch jede Handlung gemeint, die das Klima beeinflusst, wie Nutztierhaltung oder der Rückgang von Schnee- und Eisflächen. (Quelle)
Welche Bedeutung haben Urteile wie jüngst gegen Katjes oder dm für die Produktbewerbung mit dem Begriff „klimaneutral“. Worauf müssen Produkthersteller und Verbraucher*innen künftig achten?
Unternehmen sind in Zukunft dazu verpflichtet, bei dem Claim „Klimaneutralität” transparent aufzuzeigen, was sie darunter verstehen. Zum Beispiel, ob emissionsfrei produziert wurde oder ob die Klimaneutralität durch die Kompensation der bei der Produktion entstandenen Emissionen erreicht wurde. Der Bundesgerichtshof argumentiert in seiner Entscheidung, dass „die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität darstellen, sondern die Reduktion gegenüber der Kompensation unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vorrangig ist. Die Irreführung ist auch wettbewerblich relevant, da die Bewerbung eines Produkts mit einer vermeintlichen Klimaneutralität für die Kaufentscheidung des Verbrauchers von erheblicher Bedeutung ist.” (Quelle: Pressemitteilung des BGH). Das Urteil erleichtert somit für Verbraucher*innen die Auswahl beim Einkauf, da sie transparenter nachvollziehen können, was genau sich hinter dem Claim verbirgt.
Welche Rollen spielen Normen und Standards bei der Klimaneutralität? Welchen Vorteil bieten sie?
Sie schaffen einen Konsens, was Klimaneutralität überhaupt bedeutet. Außerdem definieren sie Anforderungen an Umweltschutzmaßnahmen und geben Unternehmen konkrete Handlungsempfehlungen und technische Lösungen an die Hand, wie sie tatsächlich effektiv zum Klimaschutz beitragen können. Es gibt mit der ISO 14000er-Reihe bereits ein breites Regelwerk, das Unternehmen weltweit zur Bilanzierung ihrer Umweltauswirkungen nutzen – zum Beispiel DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14044 zur Ökobilanz oder DIN EN ISO 14067 zum CO2-Fußabdruck von Produkten. Wer solche Normen und Standards nutzt, schafft Transparenz und stärkt gleichzeitig seine Glaubwürdigkeit. (Quelle)
Es gibt bereits eine Norm zur Treibhausgasneutralität – ISO 14068-1. Was genau besagt die?
ISO 14068-1 „Management des Klimawandels - Übergang zu Netto-Null - Teil 1: Treibhausgasneutralität” wurde im November 2023 veröffentlicht und enthält Grundsätze, Anforderungen und Leitlinien für das Erreichen und den Nachweis der Treibhausgasneutralität. Der Schwerpunkt liegt auf der Quantifizierung, Reduzierung und Kompensation von Kohlenstoff-Fußabdrücken, wobei ein hierarchischer Ansatz verwendet wird, der der direkten und indirekten Reduzierung von THG-Emissionen und der Verbesserung des Abbaus innerhalb der Wertschöpfungskette Vorrang vor der Kompensation gibt. (Quelle)
Wie kann ISO 14068-1 Transparenz beim Thema Klimaneutralität schaffen?
Durch die Bereitstellung eines strukturierten Ansatzes für die Kohlenstoffneutralität steht die Norm im Einklang mit den globalen Bemühungen, Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu erreichen, und unterstützt die Ziele des Pariser Abkommens. Jede Organisation oder jedes Produkt, die/das sich absichern will oder abgesichert werden soll, wenn es sich mit „treibhausgasneutral" bezeichnen will, braucht daher ein Programm, das es verfolgen kann. Eine Möglichkeit, die etabliert im Markt und transparent ist, ist die Bezeichnung als „treibhausgasneutral” nach ISO 14068-1.
Mehr zu dem Thema können Sie im Interview mit Prof. Dr. Mario Schmidt nachlesen. Er ist Leiter des Instituts für Industrial Ecology (INEC) der Hochschule Pforzheim, ist Mitglied in der Ressourcenkommission des Umweltbundesamtes und aktiver Experte in DIN-Normungsgremien.
Mehr Informationen dazu, welche Rolle Normen und Standards im Klimaschutz haben, finden Sie auf unserer Themenseite Klimawandel
Sollten Sie Fragen rund um das Thema Klima-, CO2- oder Treibhausgasneutralität haben, wenden Sie sich gern an uns: presse@din.de