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Auf den zweiten Blick: Baunormen im Wandel der Zeit
Baunormen als Werkzeug und Spiegel technologischen und gesellschaftlichen Fortschritts
Wir schreiben das Jahr 2015: Streamingdienste überholen erstmals MP3-Downloads, das Pariser Klimaabkommen wird beschlossen und in der Baubranche werden die Weichen für die digitale Transformation gestellt. Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft und Innovationen rücken in den Fokus und erfordern die Neuentwicklung und Überarbeitung von Baunormen.
Heute, im Jahr 2025, sind Streamingdienste Normalität. Neue Technologien – beispielsweise zur Nutzung von Solarenergie oder recycelten Baustoffen, finden durch Normen nach und nach den Weg in die Praxis. Und Bauverantwortliche können mit einem digitalen Abbild von realen Gebäuden – einem digitalen „Zwilling” – arbeiten, noch bevor der erste Spatenstich erfolgt.
Damit sind Baustandards beides: Werkzeug und Spiegel des technologischen und gesellschaftlichen Wandels. Welche Entwicklungen in diesem Spiegel über die letzten zehn Jahre zu sehen waren – und warum vor allem europäische Normen der zunehmenden Anzahl der Baunormen eine Rolle spielen –, offenbart ein zweiter Blick.
Ein zweiter Blick: Die Entwicklung von DIN-Normen im Bauwesen
Die Anzahl der sogenannten Baunormen ist in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Einerseits durch neue Entwicklungen, aber auch durch die regelmäßige Anpassung der Normen an den aktuellen Stand der Technik – ein fester Bestandteil der Normungsarbeit.
„Wir machen immer mehr Dinge immer besser“, erklärt Markus Brunner, stellvertretender Geschäftsführer des Normenausschusses Bauwesen bei DIN, die Entwicklung und ergänzt: „Das können wir nicht zuletzt deshalb, weil wir sie standardisieren.”
Einen Teil der wichtigsten Entwicklungen der letzten Jahre zeigen die folgenden Beispiele:
- Digitaler Wandel: DIN-Normen lassen das Bauwesen online gehen: Seit 2015 wird stufenweise das Building Information Modeling eingeführt, mit dem alle Beteiligten vor dem realen Bau an einem digitalen Gebäudezwilling arbeiten können. Für die Umsetzung sind einheitliche Standards notwendig – vor allem die internationale Normenreihe DIN EN ISO 19650 „Organisation und Digitalisierung von Informationen zu Bauwerken und Ingenieurleistungen, einschließlich Bauwerksinformationsmodellierung (BIM)“.
- Klimawandel: Der Bausektor verursacht einen erheblichen Anteil der weltweiten CO₂-Emissionen. Baustandards spielen eine wichtige Rolle dabei, diese zu senken und damit auch auf die Ziele des 2019 beschlossenen European Green Deals einzuzahlen: Mit neuen Baunormen wie DIN EN 15804 – Nachhaltigkeit von Bauwerken – Umweltproduktdeklarationen – Grundregel für die Produktkategorie Bauprodukte lässt sich der ökologische Fußabdruck von Bauprodukten objektiv bestimmen, vergleichen und möglichem Greenwashing entgegenwirken. Durch die Normung von thermischen Solaranlagen in DIN EN 12976-1 und -2 wird Sonnenenergie in Wärme umgewandelt – die fossile Energieträger ersetzt.
- Innovationstransfer & Kreislaufwirtschaft: Innovationen brauchen Normung, um in die breite Anwendung zu kommen – zum Beispiel auf dem Weg hin zur Kreislaufwirtschaft: Mit DIN SPEC 4866 – Nachhaltiger Rückbau, Demontage, Recycling und Verwertung von Windenergieanlagen oder DIN EN 197-6 – Zement mit rezyklierten Baustoffen wird es möglich, die Rückführung von Baustoffen in den Materialkreislauf umzusetzen – und Schritt für Schritt zur Normalität zu machen.
Einheitliche Baunormen als gemeinsame internationale Sprache
Die Anzahl der Baunormen steigt auch durch die Übernahme europäischer Normen ins deutsche Normenwerk („DIN EN“). DIN ist Mitglied der europäischen Normungsorganisation CEN („Comité Européen de Normalisation”). Unter Beteiligung von Expertenkreisen aus den einzelnen Mitgliedsländern werden Normen gemeinsam auf europäischer Ebene erarbeitet, die dann auch in die nationalen Normenwerke übernommen werden. Ziel ist, dass in Europa zunehmend einheitliche Normen gelten.
Beim Blick auf die Anzahl der Normen fällt auf: Die Anzahl an nationalen Normen nimmt weitaus weniger stark ab, als neue europäische Normen entstehen.
Markus Brunner erläutert dazu:
„Nicht jede neue europäische Norm führt automatisch zum vollständigen Ersatz der entsprechenden nationalen Norm. Die europäische Norm ist das kleinste gemeinsame Vielfache der beteiligten Länder. Oftmals werden in der „alten“ nationalen Norm lediglich die Teile gestrichen, die jetzt europäisch geregelt sind. Übrig bleibt eine nationale „Restnorm“, die im jeweiligen Land ergänzend zur neuen europäischen Norm gilt.“
Auch sei eine Differenzierung der Normeninhalte zu beobachten: Inhalte, die früher in einer einzigen Norm zusammengefasst waren, würden heute in mehreren Dokumenten veröffentlicht.
Praxisbeispiel:Mit den Eurocodes lässt sich die Statik von Gebäude-Tragwerken berechnen – das schafft in ganz Europa eine einheitliche Grundlage zur Berechnung der Standsicherheit von Gebäuden. Zu den Eurocodes erstellen die einzelnen Länder in der Regel nationale Anhänge, um nationale Sicherheitsanforderungen und Vorschriften zu berücksichtigen. |
Baustandards: Werkzeug und Spiegel für technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt
Ob digitalisierte Abläufe in Bauprojekten, die Weichenstellung für die grüne Transformation oder die verbesserte internationale Zusammenarbeit – ein Blick auf die Entwicklungen der letzten Jahre zeigt: Neue und weiterentwickelte Baunormen machen Fortschritt nicht nur möglich, sondern spiegeln ihn auch wider. Standards schaffen die Grundlage dafür, dass Bau-Innovationen in die Anwendung kommen und auch komplexere Bauvorhaben realisiert werden können. Das sorgt nicht zuletzt dafür, Deutschlands Bauwesen im Wandel der Zeit wettbewerbsfähig zu halten.
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