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Auf dem Weg zur digitalen Qualitätsinfrastruktur
Dass wir Produkten und Dienstleistungen im Alltag vertrauen, nehmen wir meist als selbstverständlich hin. Ob Kinderspielzeug, Baustoffe oder technische Geräte – dahinter steckt ein eingespieltes System: die Qualitätsinfrastruktur (QI). Sie verbindet Normung, Prüfungen, Akkreditierung, Messtechnik und Marktüberwachung und sorgt dafür, dass Qualität messbar, vergleichbar und verlässlich ist. Das macht Deutschland international wettbewerbsfähig und schafft Vertrauen. Doch damit dieses System auch zukunftsfähig bleibt, muss die QI konsequent digitalisiert und automatisiert werden.
Im Interview spricht Johannes Benjamin Helfritz , Leiter Stabstelle Digitale Ökosysteme bei DIN, über die digitale QI und den Weg dorthin: Welche Meilensteine wurden im vergangenen Jahr bei DIN angestoßen und umgesetzt, welche internationalen Projekte vorangebracht – und wie sieht der Blick nach vorn aus?
Was steckt hinter der Initiative QI-Digital und was ist ihr Ziel?
QI-Digital ist aus der gemeinsamen Erkenntnis entstanden, dass unser bewährtes System der Qualitätsinfrastruktur im digitalen Alltag an Grenzen stößt. Viele Prozesse sind historisch gewachsen und funktionieren gut, aber oft noch nebeneinander und auf Papier. Ziel der Initiative ist es, die bislang oft getrennten Systeme und Prozesse der QI digital miteinander zu verzahnen – von der Normung über Prüfungen und Zertifizierungen bis hin zur Marktüberwachung.
Beteiligt sind die zentralen Akteure der Qualitätsinfrastruktur in Deutschland – BAM, DAkkS, DIN, DKE und PTB – gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft, Verwaltung und Forschung. Uns treibt dabei vor allem eine Frage um: Wie lässt sich Qualität sichern, ohne Innovation auszubremsen oder Unternehmen mit zusätzlichem Aufwand zu belasten?
Die Antwort liegt in durchgängigen digitalen Prozessen. Wenn Normen maschinenlesbar sind, Prüfberichte digital vorliegen und Konformitätsnachweise automatisiert verarbeitet werden können, verändert das den Alltag spürbar. Nachweise müssen nicht mehr mehrfach erstellt werden, Informationen gehen nicht verloren, Verfahren laufen schneller. Instrumente wie SMART Standards oder der digitale Produktpass (DPP) helfen dabei, Qualitätssicherung besser in die digitalen Abläufe der Wirtschaft einzubetten. So entsteht nach und nach eine digitale Qualitätsinfrastruktur, die Sicherheit und Vertrauen erhält – und gleichzeitig Bürokratie reduziert und Innovation erleichtert.
Welche Rolle spielen Normen und Standards für die digitale Qualitätsinfrastruktur?
Normen und Standards sind die Grundlage dafür, dass Qualität, Sicherheit und Vergleichbarkeit überhaupt möglich sind. Sie schaffen Vertrauen, sorgen für faire Wettbewerbsbedingungen und ermöglichen es, dass Produkte und Dienstleistungen weltweit anerkannt und genutzt werden können. Ohne Normen gäbe es keine verlässlichen Prüfungen, keine kompatiblen Schnittstellen und keinen funktionierenden internationalen Handel.
Mit der fortschreitenden Digitalisierung steigen jedoch die Anforderungen an Normen. Sie müssen heute nicht nur Orientierung für Menschen bieten, sondern auch in digitalen Prozessen nutzbar sein. Das heißt: Anforderungen müssen so strukturiert vorliegen, dass sie automatisiert geprüft und in digitalen Nachweisen weiterverarbeitet werden können.
Genau daran arbeiten DIN und DKE gemeinsam mit den maschinenlesbaren SMART Standards. Sie übersetzen normative Anforderungen in eine Form, die direkt in digitale Anwendungen integriert werden kann – etwa in Prüfsoftware oder automatisierte Konformitätsnachweise. Grundlage dafür sind international kompatible Dokumenten- und Datenformate, die DIN und DKE aktiv in europäischen und internationalen Gremien sowie in Pilotprojekten erproben.
Wie engagiert sich DIN noch im Bereich QI-Digital – und was kommt als Nächstes?
DIN arbeitet auf vielen Ebenen daran, die Qualitätsinfrastruktur digital weiterzuentwickeln – national, europäisch und international. Ein zentrales Thema ist dabei der digitale Produktpass. Er soll künftig relevante Produktinformationen über den gesamten Lebenszyklus bündeln und digital verfügbar machen. Auf europäischer Ebene wurde dafür bereits ein Joint Technical Committee von CEN und CENELEC eingerichtet, dessen Arbeit DIN und DKE national spiegeln und aktiv in die europäische Normung einbringen. Neu ist jetzt auch ein entsprechender Antrag für ein Gremium auf ISO-Ebene, um einen global interoperablen Rahmen für den DPP zu schaffen.
Wichtig ist uns dabei, dass der digitale Produktpass nicht isoliert entwickelt wird. Mit dem Projekt „Vernetzung der Transformationsprozesse der QI und der Entwicklung des DPP“ bringen wir bewusst zwei Entwicklungen zusammen: die digitale Weiterentwicklung der Qualitätsinfrastruktur und die konkreten Anforderungen des Produktpasses. Im Projekt wird untersucht und praktisch erprobt, wie qualitätsrelevante Informationen aus Normung, Prüfung oder Metrologie künftig strukturiert, vertrauenswürdig und interoperabel im Produktpass genutzt werden können. So lassen sich parallele Lösungen vermeiden, die später nicht zusammenpassen.
Was braucht es darüber hinaus, damit die digitale Qualitätsinfrastruktur in der Praxis wirkt?
Das volle Potential der digitalen Qualitätsinfrastruktur entfaltet sich erst dann, wenn ihre Werkzeuge und Prozesse systemübergreifend genutzt werden – also dort ankommen, wo Unternehmen, Behörden und Marktteilnehmende täglich arbeiten. Dafür ist der kontinuierliche Austausch zwischen allen Beteiligten entscheidend.
Ein wichtiger Meilenstein 2025 ist die Veröffentlichung der QI-Digital-Roadmap, die wir gemeinsam mit allen Akteuren erarbeitet haben. Sie beschreibt erstmals ein gemeinsames Zielbild und konkrete Entwicklungspfade für eine digitale Qualitätsinfrastruktur – über Organisations- und Zuständigkeitsgrenzen hinweg. Eng damit verbunden war das QI-Digital-Forum, das gezeigt hat: Die digitale Transformation der QI ist kein Einzelprojekt, sondern ein Gemeinschaftsvorhaben.
Formate wie das wöchentliche Cyberfrühstück oder der politische Austausch im parlamentarischen Frühstück haben diesen Dialog weiter vertieft und helfen dabei, Perspektiven zusammenzubringen und die nächsten Schritte gemeinsam zu gehen. Denn dieses Engagement soll auch künftig dazu beitragen, internationale und europäische Normung aktiv mitzugestalten, Prozesse effizienter zu machen und die hohen Qualitätsstandards in Deutschland auch im digitalen Umfeld sicherzustellen.
Sie möchten mehr zum Thema erfahren oder sich künftig in der Normung einbringen? Dann besuchen Sie unsere Themenseite zur QI Digital.