NA 005

DIN-Normenausschuss Bauwesen (NABau)

2019-12-23

Stellungnahme zum Urteil des OLG Hamm vom 14. August 2019

AZ. 12 U 73/2018

In dem streitgegenständlichen Verfahren verlangte ein Bauherr von dem Bauunternehmer Ersatz des durch fehlerhafte Abdichtung einer Kelleraußenwand verursachten Schadens. Nach rd. einem Jahr nach Fertigstellung des Gebäudes kam es zu Feuchteschäden im unteren Bereich der Kelleraußenwand. Der Bauunternehmer verteidigte sich damit, dass er eine nach der maßgeblichen DIN-18195-6 (nunmehr DIN-18533-3) vorgeschriebene Abdichtung durch Kombination aus einer kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtung (KMB/nunmehr PMBC) in Verbindung mit einer wasserundurchlässigen (WU) Betonbodenplatte verwendet hat. Nach Auffassung des Gerichts war die Abdichtung nach der vorgenannten DIN-Norm bereits deswegen mangelhaft, weil diese Lösung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche. Eine Untersuchung, ob der Schaden auf einer mangelhaften Ausführung der vorgeschriebenen Abdichtungslösung beruht, hielt das Gericht für nicht entscheidungsrelevant. Seine Meinung stützte das Gericht auf die Aussagen eines von ihm beauftragten Sachverständigen. Dieser behauptete, dass nach seiner Erfahrung und nach Ergebnissen einer Umfrage, welche er unter mehreren gerichtlich vereidigten Sachverständigen im Jahre 2009 durchgeführt habe, die Abdichtung nach DIN 18195-6 sehr oft zur späteren Feuchteschäden führe. Auf Grund der hohen Schadensfallquote eigne sich das in der DIN 18195-6 vorgeschriebene Verfahren nicht für die Abdichtung der unterirdischen Teile der Außenwände gegen aufstauendes Sickerwasser. Im Übrigen seien die DIN-Arbeitsausschüsse nicht paritätisch besetzt, sondern von den einschlägigen Interessensvertretern der Baustoffindustrie dominiert.

Da im Rahmen des vorgenannten Gerichtsverfahrens nicht nur die Qualität der Ergebnisse der Normungsarbeit des zuständigen Arbeitsausschusses in Frage gestellt, sondern auch der Normungsprozess an sich kritisiert wurde und das Urteil auf diesen Aussagen beruht, nimmt DIN dazu wie folgt Stellung:

Die DIN-18195 und die Nachfolgenorm DIN-18533 wurden – wie alle DIN-Normen – nach DIN-Normungsregularien erarbeitet. Diese seit Jahren bewährten internen Vorschriften zur Regelung der Normungsarbeit gewährleisten insbesondere, dass die Normen nicht zu Gunsten Einzelner erarbeiten werden, sondern Interessen aller beteiligten Kreise berücksichtigen. Ein Dominieren des Normungsprozesses durch Vertreter von bestimmten Branchen ist durch die Ausgestaltung des Normungsprozesses ausgeschlossen. DIN achtet darauf, dass in jedem einzelnen Normungsverfahren der zuständige Arbeitsausschuss alle interessierten Kreise durch Experten ausgewogen vertreten werden (paritätische Besetzung). Das Ziel der Normungsarbeit ist ein Konsens. Das bedeutet, dass sich eine Mehrheit von Experten nicht gegen die abweichende Meinung durchsetzt. Vielmehr kommt eine Norm zustande, wenn sich sämtliche an dieser Norm mitwirkenden Experten unter Berücksichtigung des technisch Machbaren und wirtschaftlich Vertretbaren auf eine gemeinsame Version der Norminhalte verständigen. Ein Konsens ist also erreicht, wenn kein einziger Experte seinen etwaigen anfänglichen Widerspruch aufrechterhält. Dies trifft im vorliegenden Fall zu. Weiterhin ist zu betonen, dass jedermann einfach und unkompliziert die Normungsarbeit mitgestalten kann, in dem er einen veröffentlichten Normentwurf kommentiert. Der zuständige Arbeitsausschuss ist zur Stellungnahme zu jedem einzelnen Kommentar verpflichtet. An dieser Stelle sei erwähnt, dass der im OLG-Verfahren tätige Sachverständige diese Möglichkeit nicht genutzt hat, um seine Bedenken gegen die DIN-18195 wie auch gegen die Nachfolgenorm DIN 18533 direkt gegenüber dem Normungsgremium zu äußern.

DIN hat das Urteil des OLG Hamm zum Anlass genommen, die Normungsarbeit des für die Erarbeitung der DIN-18195 (DIN-18533) zuständigen Arbeitsausschusses im Rahmen eines internen Audits gesondert zu prüfen. Die Ergebnisse des Audits haben bestätigt, dass sowohl die Einhaltung der Normungsregularien wie auch die Besetzung des Ausschusses nicht zu beanstanden sind.

Die Entwicklung der Regeln für die Anwendung der Abdichtungsbauweise KMB / PMBC im Übergang auf WU-Betonbodenplatten nach DIN 18195 und DIN 18533 stellt sich wie folgt dar:

Nach langjähriger erfolgreicher Anwendung von KMB bei der Abdichtung von Kelleraußenwänden erfolgten erstmals im Jahr 2000 normative Regelungen in der damaligen DIN 18195. Die Anwendung der Abdichtungsbauweise KMB im Übergang auf WU-Betonbodenplatten (sogenannte Kombinationsbauweise) erfolgte zunächst auf der Grundlage von Verbandsregelungen aus den Jahren 1997 / 2001. Auf der Basis umfangreicher Eignungsprüfungen der TU München und der MFPA Leipzig in den Jahren 1999 bis 2005, die zur Absicherung der zeitlich begrenzten Laborprüfungen auch Langzeitprüfungen beinhalteten, wurden die bestehenden Prüfverfahren weiterentwickelt. Im Jahr 2005 wurden für diese spezielle Bauweise beim DIBt Prüfgrundsätze entwickelt und auf deren Grundlage einzelne KMB-Produkte über allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse (abP) für den Lastfall drückendes Wasser bis 3m WS bauaufsichtlich geregelt. Im Jahr 2009 wurde die Bauweise KMB im Übergang auf WU-Betonbodenplatte mit einem produktbezogenen bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweis durch ein abP in DIN 18195-9 (Änderung A1) aufgenommen, ohne dass es hierzu aus der Fachwelt Einsprüche gab. Schließlich wurde nach rd. 12 Jahren bestehender bauaufsichtlicher und normativer Regelungen und der in dieser Zeit zigtausendfachen erfolgreichen Anwendung im Wohnungsbau die Abdichtungsbauweise KMB / PMBC im Übergang auf WU-Betonbodenplatten im Jahr 2017 in die neue DIN 18533 übernommen, da es keine Veranlassung gab, die dauerhafte Funktionsfähigkeit dieser Bauweise und damit die Eignung der hierfür angewendete Prüfverfahren in Frage zu stellen. Selbstverständlich waren auch Schadensfälle, wie bei vielen anderen geregelten Abdichtungsbauweisen auch, bekannt, die allerdings, bezogen auf die Vielzahl der erfolgreichen Anwendungen, nur einen äußerst geringen Anteil ausmachten und fast ausschließlich auf fehlerhafte Ausführungen zurückzuführen waren. Im Wesentlichen wurden die Regelungen der Norm sowie die Bestimmungen des abP und des Produktherstellers für das jeweilige KMB-Produkt bei der Ausführung des Übergangs ganz oder teilweise nicht eingehalten und auf deren Umsetzung durch Kontrollen im Zuge der Ausführung vor Ort verzichtet. Die jahrzehntelange Praxis hat gezeigt, dass die in der Norm und im abP getroffenen Ausführungsbestimmungen baustellenkompatibel und die Anforderungen an die Zuverlässigkeit durch geschultes Verarbeitungspersonal erfüllbar sind.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die die Regelungen der DIN 18195 zur Abdichtungsbauweise KMB / PMBC im Übergang auf WU-Betonbodenplatten betreffenden Aussagen in der Urteilsbegründung des OLG Hamm aus Sicht von DIN nicht zutreffen. Es besteht keine Veranlassung, den bautechnischen Inhalt der DIN 18195 wie auch der Nachfolgenorm DIN 18533 infrage zu stellen. Aufgrund dieser langjährigen bisher im Normungsprozess unwidersprochenen Regelungs- und Anwendungspraxis ist weiterhin davon auszugehen, dass diese Bauweise eine anerkannte Regel der Technik darstellt.