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Wie ein Standard die technische Dokumentation für Medizinprodukte effizienter gestaltet
Drei Fragen an Dr. Holger Brünner zur DIN SPEC 91509
In der Medizintechnik entscheidet oft Zeit über Gesundheit. Wenn neue Geräte oder Softwarelösungen schneller zugelassen werden, profitieren Patientinnen und Patienten unmittelbar. Seit Inkrafttreten der europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR) stehen viele Unternehmen jedoch vor einer gewaltigen Herausforderung: Jedes Produkt muss detailliert dokumentiert, geprüft und nachverfolgt werden.
Standards helfen dabei, diese Prozesse effizienter zu gestalten. Ein Beispiel dafür ist die DIN SPEC 91509 „Datenmodell für die technische Dokumentation von Medizinprodukten“. Sie bietet ein digitales, einheitliches Format für die technische Dokumentation und entlastet Unternehmen so von bürokratischem Aufwand. Entwickelt wurde sie von Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung – mit dabei der MDKU e. V., der Verband für die Digitalisierung der Medizinproduktezulassung. Dr. Holger Brünner vom MDKU e. V. erklärt im Interview, wie der neue Standard die Branche konkret entlastet und warum Digitalisierung und Standardisierung zusammengedacht werden sollten.
Herr Brünner, was war der Anlass für die Entwicklung der DIN SPEC 91509?
Die Anforderungen an die technische Dokumentation (TD) von Medizinprodukten sind spätestens seit Gültigkeitsbeginn der 2017 veröffentlichten Europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR) stark gestiegen. Mittelständische Unternehmen bilden das Rückgrat der deutschen Medizinprodukteindustrie. Gerade sie stehen angesichts der gestiegenen regulatorischen Anforderungen vor großen Herausforderungen, ihre meist hochinnovativen und für die effektive Patientenversorgung wichtigen Produkte neu zuzulassen oder im Markt zu behalten.
Ziel der DIN SPEC 91509 ist es, eine einheitliche regulatorische Sprache zu schaffen, welche Herstellern und Benannten Stellen hilft, den Fokus wieder vom rein formalistischen Prüfen struktureller Aspekte auf eine patientenorientierte und risikobewusste, inhaltliche Prüfung der TD zu legen. Dieser Ansatz hilft beiden Seiten bei der zügigen Zulassung von neuen Medizinprodukten und ermöglicht dadurch eine kürzere time-to-market und bessere Patientenversorgung.
Wie genau entlastet die DIN SPEC 91509 Unternehmen im Zulassungsprozess – und wo wird der Unterschied im Arbeitsalltag besonders spürbar?
Wenn sich alle Beteiligten an der Europäischen Zulassungsprozedur – Hersteller, Benannte Stellen und Zulassungsbehörden – auf einen gemeinsam erarbeiteten, validierten und allgemein akzeptierten Konsens für die Struktur der TD einigen, entfällt die formale Prüfung der eingereichten Unterlagen auf ihre strukturelle Übereinstimmung mit den Vorgaben. Je nach Produkt können das z. B. mehr als 50 verschiedene Regelwerke sein – darunter allein 32 unter der MDR harmonisierte Normen.
Dies bedeutet eine erhebliche Arbeitserleichterung für Prüfer, da sich diese nunmehr auf die tatsächlich relevanten Inhalte einer solchen Dokumentation konzentrieren können: auf technische Aspekte, den Umgang mit Risiken, die Evidenz für den Nachweis der klinischen Sicherheit und Leistung, und schlussendlich den objektiv möglichen Nutzen für Patienten und Ärzte.
Ein einheitliches Format ist außerdem Voraussetzung für die digitale Übermittlung und Weiterverarbeitung der vereinheitlichten Dokumentation. Nur so lassen sich relevante Prozesse wirklich digitalisieren – über den Austausch von pseudodigitalen Formaten wie PDF-Files hinaus – und bei Bedarf auch KI-unterstützt beschleunigen und effektiver gestalten.
Welche Rolle spielen digitale und SMART Standards künftig für die Einhaltung von regulatorischen Vorschriften?
Die Digitalisierung ermöglicht in einem bisher nie genutzten Ausmaß die Einbeziehung aller Akteure in den Prozess. Durch die Definition von Querverbindungen und Abhängigkeiten von Informationen werden Potenziale wie auch Risiken für die regulatorische Compliance transparent aufgedeckt und können effektiv behandelt werden. Die digitalen Standards bilden hierbei das regulatorische Grundgerüst, indem sie die Normforderungen als echte, verifizierbare und atomare Anforderungen formulieren. Diese können in unterschiedliche Anforderungsmanagementsysteme bei Herstellern einfach importiert und effizient weiterverarbeitet werden. Auch die entsprechenden Gegenparts bei den Prüfstellen können regulatorische Konformität mit den SMART Standards als Referenz einfacher und sicherer überprüfen.
Weniger Bürokratie, mehr Wirkung – das gelingt nur gemeinsam. Beteiligen Sie sich an der Normung und gestalten Sie die Standards von morgen mit!