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2025-11-28

Ökodesign-Verordnung: Was Unternehmen jetzt wissen müssen

Kartons mit einem grünen Zweig vor weißem Hintergrund
© AdobeStock: somruthai

Die neue EU-Ökodesign-Verordnung (ESPR) soll Produkte langlebiger, reparierbarer und ressourcenschonender machen. Was das konkret für Unternehmen bedeutet und wie Normung und Forschung dabei helfen, Fanni Florian, Projektmanagerin Strategische Entwicklung Nachhaltigkeit bei DIN, Anna Trawnitschek, Gesamtprojektleitung EPD-Programm bei DIN Media und Dr. Moritz-Caspar Schlegel, Koordinator Circular Economy an der BAM, im Interview.

Welche Chancen und Herausforderungen bringt die neue Ökodesign-Verordnung?

Fanni Florian: Für viele Unternehmen ist die ESPR erstmal ein großer Schritt. Insbesondere in den Bereichen, die bisher von der Ökodesign-Richtlinie nicht reguliert wurden, gibt es nun einen erhöhten Anpassungsdruck. Viele der Anforderungen sind bisher für die jeweiligen Produktgruppen technisch noch nicht beschrieben worden, die konkrete Ausgestaltung ist damit noch Aufgabe der an der Normung beteiligten Stakeholder. 

Gleichzeitig ist genau das aber auch eine Chance. Wer früh dabei ist, kann diese Normen aktiv mitgestalten und sicherstellen, dass die Anforderungen fachlich sinnvoll und praxistauglich werden. Die ESPR eröffnet europäischen Unternehmen also die Möglichkeit, sich als Vorreiter für nachhaltige und zukunftsfähige Produktgestaltung zu positionieren.

Anna Trawnitschek: Die Verordnung schafft europaweit einheitliche Mindeststandards – und das stärkt den Markt für hochwertige Produkte. Deutsche Unternehmen sind in Bereichen wie Recyclingfähigkeit, Langlebigkeit oder Reparierbarkeit traditionell gut aufgestellt.  Produkte, die diesen Anforderungen der EU-Kommission und der harmonisierten Normen nicht erfüllen, dürfen auf dem europäischen Markt nicht in Verkehr gebracht werden. Ein einheitlicher Standard hilft Verbraucherinnen und Verbrauchern dabei, leichter nachhaltige Entscheidungen zu treffen, und schützt auch die nationale Wirtschaft von minderwertigen Produkten aus dem Niedrigpreissegment. 

Moritz-Caspar Schlegel (BAM): Aus Forschungsperspektive verändert die ESPR den Blick auf Produkteffizienz deutlich. Der Rechtsrahmen hatte Anforderungen an die Material- und Ressourceneffizienz in der Vergangenheit zwar bereits vorgesehen, jedoch kaum umgesetzt. Bisher ging es vor allem um effiziente Energienutzung, Aspekte wie Anforderungen an den Wasserverbrauch, Funktionsbeständig- oder Langlebigkeit bildeten bislang die Ausnahme. Für viele Produktgruppen fehlen dafür noch Daten und Bewertungsmethoden. Aber genau darin liegt eine große Chance für Unternehmen. Denn sie verfügen über das technische Wissen und Datengrundlagen, auf die die EU angewiesen ist. Wer sich einbringt, kann die Regulierung so mitgestalten, dass sie für europäische Unternehmen tatsächlich machbar ist.

Wie unterstützen Normung und Forschung die Umsetzung der Verordnung?

Anna Trawnitschek: Die Verordnung sagt was erreicht werden soll, harmonisierte europäische Normen zeigen, wie das in der unternehmerischen Praxis umgesetzt werden kann. Denn Normen machen Anforderungen messbar, nachvollziehbar und überprüfbar. Ohne klar definierte Kriterien könnte niemand verlässlich nachweisen, ob Produkte reparierbar oder langlebig genug sind. Normen schaffen vergleichbare Bewertungsgrundlagen, was entlang der gesamten Lieferkette enorm hilft. Sie verhindern, dass jedes Land seine eigenen technischen Regeln definiert, das erleichtert Unternehmen den Zugang zum Binnenmarkt. Für die Unternehmen bedeutet das, dass sie ihre Entwicklungs- und Produktionsprozesse an klar definierte Kriterien anpassen können – aber auch müssen.  

Moritz-Caspar Schlegel (BAM): Nur was ich messen kann, kann ich verbessern. Das heißt: Nur, wenn es klare Normen gibt, können Behörden überhaupt überprüfen, ob Unternehmen die Ökodesign-Anforderungen einhalten. Damit diese Normen aber solche Kriterien festlegen können, brauchen wir die Grundlagen aus der Forschung.

Wir müssen wissen: Welche Messwerte sind relevant? Welche Kennzahlen beschreiben Zirkularität zuverlässig? Wie kann die Marktüberwachung das später kontrollieren? Nur durch umfangreiche Studien und eine Spiegelung der Studienergebnisse mit den betroffenen Stakeholdern können die Schlüsselparameter identifiziert und die Performance der Produkte bezüglich ihrer Zirkularität beschrieben werden. Deshalb fördert die EU aktuell mehrere Forschungsprojekte zu Produktgruppen, bei denen die Datenlage dünn ist. Viele dieser Projekte sind wichtig für den ESPR-Arbeitsplan, der 2028 überprüft wird. Demnach können die Forschungsergebnisse hier unmittelbare Wirkung entfalten. BAM und DIN bewerben sich gemeinsam mit der TU Berlin auf solche Vorhaben. Unser Ziel ist es, den technischen Unterbau der Verordnung so früh und so solide wie möglich mitzugestalten.“

Wie können DIN und BAM insbesondere KMU unterstützen?

Fanni Florian: Sobald europäische Normen harmonisiert werden, bieten sie KMU außerdem Orientierung und Rechtssicherheit, ohne dass sie selbst tief in die Details einsteigen müssen. Bei DIN informieren wir sehr frühzeitig über die neuen Anforderungen, die laufenden Normungsprojekte und zu Normen, die schon existieren und die Umsetzung der Verordnung erleichtern. Für die Mitarbeit in der Normung bietet DIN KMU Sonderkonditionen, aber auch wer in der Normung nicht aktiv sein kann oder will, kann Normen kostenlos kommentieren und so die eigene Perspektive einbringen. 

Moritz-Caspar Schlegel (BAM): Die BAM ist im bisherigen nationalen Recht und im angestrebten Ökodesign-Gesetz als gesetzlich beauftragte Stelle genannt. Das heißt: Wir haben nicht nur das Interesse, sondern auch den Auftrag, Unternehmen zu unterstützen. Auf unserer Website stellen wir verständliche Informationen zum Rechtsrahmen bereit und beraten Unternehmen – vom Start-up bis zum Industrieverband.

Besonders wichtig ist die Registrierung als Stakeholder: Dann erhält man neue Verordnungsentwürfe automatisch, frühzeitig und ohne Umwege. KMU sagen uns oft, dass ihnen das enorm hilft, weil sie Zeit gewinnen und ihre Positionen sauber ausarbeiten können. Wenn sie uns diese Positionen mitteilen, können wir sie im europäischen Rechtsetzungsverfahren mit technischer Expertise unterfüttern. Der Weg nach Brüssel wird dadurch deutlich kürzer – und gute Argumente haben mehr Gewicht.

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