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2020-07-01

Deutsche Ratspräsidentschaft: Normung und politische Zielsetzungen

© istock / chrisdorney

Deutschland übernimmt heute die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union, also der Vertretung der Mitgliedsstaaten. Sie folgt Kroatien und ist der erste Teil einer Trio-Präsidentschaft mit Portugal und Slowenien. Zu bereits geplanten Themen steht nun auch die Corona-Krise auf der Tagesordnung.

Das Programm der Bundesregierung ist ambitioniert. Neben der Krisenbewältigung sind da beispielsweise die großen Veränderungsbestrebungen für die europäische Wirtschaft, wie sie bereits im Programm der Europäischen Kommission vorgegeben werden: die digitale und die grüne Transformation. Diesen gilt auch das besondere Augenmerk des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), welches den Green Deal als Chance für einen Strukturwandel begreifen möchte und die digitale Souveränität der EU anstrebt. Damit spiegelt das Programm der Bundesregierung für die Ratspräsidentschaft Strategien und Pläne der Europäischen Kommission, etwa den Wiederaufbauplan nach der Coronakrise, das Digitalpaket und den Europäischen Grünen Deal.

Was bedeuten die Ziele der deutschen Ratspräsidentschaft für die europäische Normung?

Das zweite Halbjahr 2020 bietet eine große Chance für die europäische Normung, sich mit den politischen Zielsetzungen auf strategischer Ebene auseinanderzusetzen und zu ermitteln, welchen Beitrag sie zur Umsetzung leisten kann. In den frühen Tagen der Gesundheitskrise wurden Normen für Atemschutzmasken, Schutzausrüstung und Beatmungsgeräte hundertausendfach in Europa nachgefragt und angewendet, ein Umstand der einmal mehr den Nutzen der Normen auch in Zeiten besonderer Herausforderungen bewies. Jetzt stellen sich weitere Fragen:

  • Welche Normen braucht es, um die europäische Wirtschaft resilienter gegen Krisen zu machen?
  • Wie kann die Normung in Europa zum Wiederaufbau der Wirtschaft beitragen?
  • Braucht es besondere Anstrengungen in der Normungsarbeit, um die von der Europäischen Kommission im Aufbauplan identifizierten 14 industriellen Ökosysteme mit besonderer Bedeutung für die europäische Wirtschaft, zu unterstützen?
  • Wie muss sich die Normung in Europa aufstellen, um technologische und digitale Souveränität zu berücksichtigen und was bedeutet dies für die Anstrengungen europäischer Experten in der internationalen Normung?
  • Wie muss sich Standardisierung selbst wandeln, um die Chancen und Anforderungen der Digitalisierung umzusetzen?
  • In welchen Bereichen muss die Standardisierung Lücken schließen, um einen Beitrag zur grünen Transformation der Wirtschaft zu leisten

Normungspolitische Maßnahmen des Bundeswirtschaftsministeriums

Im BMWi, das Deutschland im EU-Normungsausschuss der Mitgliedsstaaten vertritt, wird die deutsche Ratspräsidentschaft als Chance gesehen, die Kooperation zwischen privatwirtschaftlicher Normung und dem europäischen Gesetzgeber auf die Agenda des Rates der Europäischen Union zu setzen. Dr. Thomas Zielke, Leiter des Referates für Technologietransfer, Normung und Patente des BMWi: „Als deutsche Ratspräsidentschaft wollen wir Anstöße geben, um die von Gesetzgeber gewollte Anwendung der Normungsverordnung zu sichern. In Zusammenarbeit mit der Kommission, den Normungsorganisationen, der Wirtschaft und gleich gesinnten Mitgliedsstaaten drängen wir auf schnellere und kooperativere Verfahrensregeln und die Wiederherstellung des Gleichgewichts bei der Arbeitsteilung zwischen der Normung und den Kommissionsdienststellen.“

In diesem Sinne plant das BMWi einen Dreiklang von Maßnahmen: Ein Rechtsgutachten, die Wiederbelebung der Ratsarbeitsgruppe „Standardisierung“ sowie zwei Workshops.

Das Rechtsgutachten befasst sich unter anderem mit den Fragen der Rechtsnatur harmonisierter Normen und wie weit die Prüfungsdichte der Europäischen Kommission bei der Überprüfung von Normen, die für eine Zitierung im Amtsblatt der EU vorgesehen sind, gehen muss. Des Weiteren soll die Rolle der Mitgliedsstaaten im EU-Normungsausschuss untersucht werden sowie die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die neuen Arbeitsprozeduren der Europäischen Kommission. Das Rechtsgutachten wird zur Beginn der Präsidentschaft erwartet.

Die fachliche Arbeit des Rates der Europäischen Union findet in thematisch gegliederten Ratsarbeitsgruppen statt. Eine Ratsarbeitsgruppe, die sich speziell mit dem Thema „Standardisierung“ beschäftigt, ruht seit einigen Jahren. Deutschland unternimmt es nun, diese Gruppe wiederzubeleben und hat zwei Termine im Arbeitsprogramm des Rates angemeldet. Arbeitsergebnisse solcher Ratsarbeitsgruppen reichen von Non-Papers bis zu Ratsschlussfolgerungen und können ein politisches Gegengewicht zu Auffassungen der Europäischen Kommission bilden. Neben den Problemen im Prozess der Zusammenarbeit zwischen Normung und Europäischer Kommission, kann die Ratsarbeitsgruppe auch genutzt werden, um sich mit strategischen Plänen zu beschäftigen. So arbeitet die Europäische Kommission aktuell an der Entwicklung einer Normungsstrategie, wie sie im Digitalpaket der Europäischen Kommission im Februar 2020 angekündigt wurde.

Als dritte Säule der normungsrelevanten Aktivitäten im Rahmen der Ratspräsidentschaft plant das BMWi zwei Workshops: „Dabei wollen wir uns thematisch besonders mit Künstlicher Intelligenz und der Umsetzung des „Green Deal“ befassen“, so Dr. Zielke. Der erste hochrangig besetzte Workshop am 16. September 2020 wird voraussichtlich von Bundesminister Peter Altmaier eröffnet und trägt den Titel „Europäische Normen und Standards stärken – Impulse für den Grünen Deal”. Anhand des strategischen Themas der grünen Transformation der europäischen Wirtschaft soll dabei herausgestellt werden, wie ein gut funktionierendes Normungssystem im Rahmen des Neuen Rechtsrahmens (New Legislative Framework) einen bedeutenden Beitrag zur Umsetzung politischer Ziele geben kann.   

  

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