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DIN-Norm gleich allgemein anerkannte Regel der Technik?
So unterscheiden sich anerkannte Regeln der Technik, Stand der Technik und Stand von Wissenschaft und Technik
Ob Hausbau, Umbau der Garage oder Nachrüstung einer Solaranlage – bei der Planung und Umsetzung von Bauprojekten fallen früher oder später Begriffe wie „allgemein anerkannte Regeln der Technik“, „Stand der Technik“ oder „Stand von Wissenschaft und Technik“.
Doch was genau steckt dahinter, worin liegen die Unterschiede und: Was haben Normen mit diesen Begriffen zu tun? Die Antworten auf diese Fragen zu kennen ist nicht nur hilfreich, wenn es um die Wortwahl in Verträgen geht. Auch bei der Entstehung und Weiterentwicklung von Normen spielen die Begriffe eine wichtige Rolle.
Unterscheidung im Stufenformat: Von der allgemeinen Anwendung bis zum höchsten wissenschaftlichen und technischen Stand
Wie sich die drei Begriffe voneinander unterscheiden, lässt sich in einem dreistufigen System veranschaulichen:
- Die allgemein anerkannten Regeln der Technik sind in der Theorie und – das ist entscheidend – in der Praxis allgemein bewährte und erprobte technische Prinzipien. Vor Gericht werden sie beispielsweise als Maßstab dafür herangezogen, ob ein Bauwerk die „übliche Beschaffenheit“ aufweist und damit frei von Mängeln ist, sofern nichts anderes zwischen den Vertragspartner*innen vereinbart wurde.
- Der Stand der Technik beschreibt das, was technisch machbar ist. DIN-Normen werden zum Beispiel nach dem Stand der Technik geschrieben und auch dahingehend überarbeitet. Ob sich der Stand der Technik in der Praxis schon bewährt hat, ist dabei nicht relevant – das unterscheidet ihn z.B. von einer allgemein anerkannten Regel der Technik.
- Der Stand von Wissenschaft und Technik beschreibt all das, was wissenschaftlich zum höchsten Stand der Technik hinzukommt – oder gar darüber hinausgeht. Während der Stand der Technik realisierbar sein muss, reicht hier eine theoretische Prognose dafür aus.

Allgemein anerkannte Regeln der Technik: Theoretisch richtig und in der Praxis bewährt
Das Online-Magazin der Bausachverständigen erklärt, dass für eine allgemein anerkannte Regel der Technik „stets eine Ankerkennung in Theorie und Praxis“ erforderlich ist.
Die Regeln müssen also zunächst von Fachleuten – z. B. weil sie auf Grundlage technischer Berechnungen und Modelle bestätigt wurden – als technisch schlüssig und wissenschaftlich fundiert anerkannt werden.
Der entscheidende Punkt ist aber die praktische Bewährung: Um das zu verdeutlichen, weist das Magazin auf eine Beschreibung des Bundesverwaltungsgerichtes hin:
„Anerkannte technische Regeln sind diejenigen Prinzipien und Lösungen, die in der Praxis erprobt und bewährt sind und sich bei der Mehrheit der Praktiker durchgesetzt haben.“
DIN-Normen und allgemein anerkannten Regeln der Technik: Aus neu wird „NORMal“
„Eine Norm ist nicht automatisch eine allgemein anerkannte Regel der Technik“, stellt Markus Brunner, stellvertretender Geschäftsführer des Normenausschusses Bauwesen bei DIN, klar und erklärt:
„Wenn eine neue DIN-Norm – zum Beispiel für eine neue Bauweise – erarbeitet wird, ist es das Ziel, dass sich alle betroffenen Akteurinnen und Akteure der Baubranche daran orientieren können. Mit der Zeit sollte sich diese Norm als allgemein anerkannte Regel etablieren. Aber: Erst wenn aus „neu“ „NORMal“ wird – also wenn sich diese neue Bauweise über die Zeit in der Praxis bewährt hat und von der Mehrheit angewendet wird, gilt die Norm auch eine allgemein anerkannte Regel der Technik.“
Praxisbeispiel: Anbringungshöhe von Lichtschaltern
Lichtschalter werden in Bauwerken auf einer bestimmten Höhe angebracht (105 cm über dem Fertigfußboden). Die DIN-Norm, die Anordnung von Lichtschaltern beschreibt (DIN 18015-3), hat sich als Richtlinie in der Praxis bewährt und wird von der Allgemeinheit angewendet – sie gilt als allgemein anerkannte Regel der Technik.
Normen und allgemein anerkannte Regeln der Technik: Rechtsverbindlichkeit
Ein Bauwerk gilt dann als mangelfrei, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit oder – sofern keine Vereinbarung vorliegt – die “verkehrsübliche Beschaffenheit” aufweist. Diese wird häufig durch die allgemein anerkannten Regeln der Technik bestimmt. Für DIN-Normen gilt die Vermutung, dass sie solche Regeln darstellen – weicht ein Werk also davon ab, kann dies als Mangel gedeutet werden. Ob eine Norm im Einzelfall als anerkannte Regel gilt, entscheiden Gerichte jedoch für jeden Fall individuell.
Stand der Technik: Grundlage und Weiterentwicklung für Normen & Standards
Der Begriff „Stand der Technik“ bezieht sich auf den aktuellen Entwicklungsstand und die fortgeschrittenen Methoden innerhalb eines bestimmten technischen Bereichs oder einer Industrie. Er umfasst das Wissen, die Techniken, Verfahren und Materialien, die zum Zeitpunkt der Betrachtung als am weitesten fortgeschritten und effektiv gelten. Der Stand der Technik wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, darunter wissenschaftliche Erkenntnisse, technologische Innovationen, industrielle Praktiken und gesetzliche Anforderungen.
Der Unterschied zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik liegt darin, dass sich der Stand der Technik (noch) nicht in der Praxis bewährt haben muss – die Realisierbarkeit reicht aus.
Der Stand der Technik ist die Grundlage, auf der Normen und Standards er- und überarbeitet werden. Wird eine Norm veröffentlicht, ist sie zu diesem Zeitpunkt noch keine allgemein anerkannte Regel der Technik, sofern sie noch nicht von der Mehrheit in der Praxis angewendet wird.
Stand von Wissenschaft und Technik: Neueste Erkenntnisse mit Prognose für Realisierbarkeit
„Der Stand von Wissenschaft und Technik“ umfasst über das momentan praktisch-technisch Erreichte (Begriffsmerkmal „Stand der Technik“) hinaus auch die neuesten Ergebnisse des derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (Begriffsmerkmal „Stand der Wissenschaft“). Während der „Stand der Technik“ ausschließlich realisierte technische Verfahren abbildet, genügt für den „Stand von Wissenschaft und Technik“ „eine wissenschaftlich-theoretische Prognose der Realisierbarkeit.“
Der Stand von Wissenschaft und Technik spiegelt in erster Linie Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien, technischen Gutachten oder Forschungsprojekten wider. Er kommt insbesondere in sehr sicherheitskritischen Bereichen zur Anwendung, wie etwa in der Raumfahrt oder in Laboren bei der Entwicklung neuer Medikamente. Da Normen und Standards in der Regel für eine breite, praktische Anwendung formuliert werden, wird dieser hohe Maßstab darin nicht abgebildet.
Weitere Informationen zu Normen und Recht
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