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„KI braucht Tempo – und Standards in hoher Qualität“
KI verändert die Welt rasant – und Europa reagiert: Der AI Act setzt weltweit erstmals verbindliche Regeln für sichere und faire KI-Systeme. Jetzt müssen europäische Normen helfen, sie praktisch umzusetzen. Doch wie gelingt das bei hohem Zeitdruck? Darüber spricht Andreas Lamm, Gruppenleiter Informationstechnologie und Akustik in der Abteilung Industrie und Informationstechnik bei DIN.
Warum spielt Normung bei Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz eine so zentrale Rolle?
KI-Systeme sollen sicher, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sein – das schreibt der AI Act vor. Normen helfen, diese Anforderungen praktisch umzusetzen: Sie übersetzen die Vorgaben in technische Lösungen, also konkretisieren zum Beispiel, wie man mit Trainingsdaten umgeht, Risiken bewertet oder menschliche Aufsicht sicherstellt. Für Unternehmen bedeutet das: Wer sich an den Normen orientiert, kann davon ausgehen, dass das eigene System den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
Der Zeitdruck ist groß, einige Vorgaben des AI Acts sind schon in Kraft getreten, für Hochrisiko-Anwendungen gibt es eine zweijährige Übergangsfrist, die im August 2026 endet. Warum sind die entsprechenden Normen noch nicht fertig?
Die Arbeit an den KI-Normen ist sehr anspruchsvoll und bisher beispiellos in Europa. Über 140 Expertinnen und Experten aus 25 Ländern bringen ihr Wissen in das gemeinsame Gremium von CEN und CENELEC ein. Da treffen ganz unterschiedliche Perspektiven aufeinander: technische, ethische, gesellschaftliche. Und genau das ist ja auch die Stärke der europäischen Normung. Wir wollen, dass am Ende ein breiter Konsens steht – nur dann werden die Normen akzeptiert und wirklich angewendet.
CEN und CENELEC haben nun ein Beschleunigungsverfahren beschlossen. Was bedeutet das konkret?
Im Kern geht es darum, einzelne Normen schneller fertigzustellen. Einige formale Schritte werden verkürzt: Wenn ein Entwurf eine breite Zustimmung bekommt, kann er direkt veröffentlicht werden – ohne eine zusätzliche Schlussabstimmung und ohne Berücksichtigung der eingegangenen Kommentare. Kleinere Redaktionsgruppen sollen sich zudem um sechs besonders verzögerte Entwürfe kümmern, damit sie schneller in die nächste Phase kommen.
Wie bewertet DIN diesen Schritt?
Bei der Erarbeitung der Normen zum AI Act muss es mehr Tempo geben – gerade, weil Unternehmen und Behörden auf klare Leitplanken angewiesen sind. Es ist wichtig, dass die Normen in der Umsetzung praktikabel sind und Orientierung bieten. Denn der Markt braucht diese harmonisierten Normen, um den AI Act sicher und einheitlich umsetzen zu können. Gleichzeitig wissen wir, dass der Beschluss für viele Expertinnen und Experten zusätzlichen Einsatz bedeutet. Sie leisten enorm viel, und wir schätzen dieses Engagement sehr.
Jetzt kommt es darauf an, gemeinsam Lösungen zu finden, wie die europäischen KI-Normen zeitnah und mit hoher Qualität fertiggestellt werden können. Die offenen Fragen der Entscheidung von CEN und CENELEC werden wir gemeinsam mit der Europäischen Kommission, CEN und CENELEC sowie den nationalen Normungsorganisationen klären, um eine gute Startbasis zu ermöglichen.
Europäische Normen für den AI Act: So spielen gesetzliche Regulatorik und Normung zusammenAuf europäischer Ebene entwickeln CEN, CENELEC und ETSI gemeinsame technische Regeln, die in allen EU-Mitgliedstaaten gelten. Die nationalen Normungsorganisationen – in Deutschland sind das DIN und DKE – bringen ihre Expertise und Perspektiven in diesen Prozess ein. Dabei gilt das sogenannte Delegationsprinzip: Fachleute aus Deutschland arbeiten in den europäischen Gremien mit, vertreten dort aber eine national abgestimmte Position. So wird gewährleistet, dass die europäischen Normen auf Konsens, Beteiligung und Transparenz beruhen – und damit breit akzeptiert und praktisch anwendbar sind. Der AI Act, in Kraft seit 2024, legt verbindliche Anforderungen an sichere, transparente und diskriminierungsfreie KI-Systeme fest. Damit die Anforderungen technisch anwendbar werden, hat die Europäische Kommission einen Normungsauftrag an CEN und CENELEC vergeben. Die daraus entstehenden harmonisierten Normen gelten als zuverlässiger Nachweis dafür, dass ein KI-System die Anforderungen des AI Act erfüllt. CEN und CENELEC arbeiten derzeit im Joint Technical Committee (JTC) 21 „Artificial Intelligence“ an diesen Normen. |
Wissenswertes zu Normung und AI Act
Auf unserer Themenseite zum AI Act erfahren Sie mehr zur Rolle der Normung, den Risikostufen des AI Acts und wie Sie die KI-Normung mitgestalten können.