Aus der Normungspraxis: Die Siemens Mobility GmbH, Wien

Interview mit Dr. Walter Struckl – Business Strategy Manager

Dr. Walter Struckl, Siemens Mobility GmbH
© Siemens Mobility GmbH

Weil die Mobilität der Zukunft auf die Schiene gehört: Siemens Mobility fährt eine Umweltstrategie entlang der technischen Megatrends.

„Die deutschen Normungsinstitute sind eine starke internationale Kraft mit einer weltweit hervorragenden Reputation – für uns bei Siemens Mobility ist das sehr wichtig.“

 Dr. Walter Struckl

Das Interview


Warum und seit wann sind Sie in der Normung aktiv?
Normung ist für mich Kommunikation, wie eine Sprache, die alle verbindet und von allen verstanden wird. Als ich 2008 in die Normung eingestiegen bin, steckten die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit noch in den Kinderschuhen. Ich wollte damals eruieren, welchen ökologischen Fußabdruck verschiedene Transportmittel hinterlassen. Das Großartige daran war, dass ich meine eigenen Erkenntnisse mit denen anderer Experten für Mobilität und Schienenfahrzeugtechnik austauschen und abgleichen konnte.

In welchen Normungsgremien arbeiten Sie mit?
In Deutschland bin ich unter anderem im DIN-Normenausschuss Fahrweg und Schienenfahrzeuge (FSF) und im DKE Arbeitsfeld Mobility aktiv, darüber hinaus international im CEN/TC 256 und ISO/TC 269 Railway applications.


Welche Normungsthemen sind in der Corona-Krise für Siemens in den Vordergrund gerückt?
Die Schienenfahrzeug Branche ist eine global sehr gut regulierte Industriesparte. Schließlich geht es immer um die Sicherheit. Für uns gelten höchste Anforderungen. Sämtliche Normen zu Fahrzeugtechnologie, Fahrbetrieb, Zulassung oder Inbetriebnahme-Tests bis hin zu den Komfortsystemen an Bord existieren bereits. Deshalb haben sich bei uns die Prioritäten durch die Corona-Krise nicht verändert.

Wie hat die Corona-Pandemie Ihre persönliche Gremienarbeit beeinflusst?
Minimal. Ich bin schon lange digital sehr gut aufgestellt. So kann ich mich auch ohne Reisetätigkeit und persönliche Treffen problemlos in verschiedenen Arbeitsgruppen und Normenausschüssen engagieren. Dort arbeiten wir schnell und effizient – das erleichtert die tägliche Arbeit sehr. Geschäftsreisen z. B. nach Übersee sind nicht immer nur das reine Vergnügen, aber ganz ohne diese werden wir nicht auskommen.

Was ist Ihnen bei der Normungsarbeit besonders wichtig?
Ich lege großen Wert auf ordentliche Vorbereitung. Sie ist der Schlüssel zu effizienten Meetings und konkreten Ergebnissen. Wenn jeder seine Hausaufgaben macht und alle verfügbaren Techniken nutzt, kommen wir in den Gremien bestens voran.

Konnten Sie schon Normen auf den Weg bringen?
Normung ist eher ein Marathon als ein Sprint. So haben wir 2010 erstmals einen Normungsvorschlag für das Recycling von ausgedienten Schienenfahrzeugen gemacht. Immerhin haben die verbauten Materialien einen nicht geringen Rohstoffwert, da herrschte innerhalb der europäischen Schienenfahrzeugindustrie Konsens. 2015 haben wir als Sektor das Thema international aufgegriffen und 2019 wurde die ISO 21106 "Railway applications — Recycability and recoverability calculation method for rolling stock“ schließlich veröffentlicht. Es lohnt sich also, einen langen Atem zu haben.

Welche Vorteile hat Siemens bzw. haben Ihre Produkte dadurch am Markt?
Jeder Kunde verfügt jetzt über weltweit harmonisierte Informationen zur Recyclingfähigkeit von Zügen. Das ist wichtig, weil die wertvollen Ressourcen wiederverwertet werden können und damit ein wichtiger Beitrag zu Entlastung der Umwelt geschaffen werden konnte. Außerdem profitieren Schienenfahrzeugkunden durch die Vergleichbarkeit der Produkte und verdienen am Ende auch Geld mit dem Materialerlös. Alle wissen, dass das Recycling wertvoller Metalle den Ausstoß klimaschädlicher Gase deutlich reduziert. Daran muss sich international jeder Hersteller messen lassen.

An welchen Netzwerkveranstaltungen nehmen Sie teil – was vermissen Sie bei DIN?
Vor der Krise habe ich sehr gerne an den DIN-Veranstaltungen teilgenommen. Leider musste DIN ja alle analogen Events herunterfahren. Diese werden hoffentlich nach Beendigung der Epidemiemaßnahmen wieder stattfinden.
Vermissen tue ich nichts bei DIN, ganz im Gegenteil: Die Art und Weise der Begleitung durch die DIN-Sekretariate ist vorbildhaft und nach meiner Erfahrung weltweit einzigartig.

Welchen Tipp geben Sie Unternehmen, die in der Normung aktiv werden wollen?
Es ist für Unternehmen jeder Größe wichtig, sich sehr spezifisch zu engagieren. Damit meine ich, von Anfang an die Normungsthemen zu bearbeiten, die den Hauptimpact auf das Unternehmen haben.

Welche Zukunftsthemen kommen auf Ihre Branche zu? Wie können Normen dabei helfen?
Als Stratege bei Siemens Mobility bin ich an dieser Fragestellung ganz nah dran. Ich sehe vier technische Megatrends. Einmal das sehr komplexe Thema Digitalisierung und Connectivity. Zum anderen Diversifizierung der Mobilität, also das Mitdenken neuer Mobilitätsformen, wie die Nutzung von Scootern und Fahrrädern in Städten oder das autonome Fahren. Und schließlich die Dekarbonisierung, also die Reduktion fossiler Energiestoffe. Normen unterstützen die Industrialisierung benannter Trends, da ein Wildwuchs von sehr spezifischen Technologien – ohne harmonisierte Schnittstellen – eher behindert, als fördert.

Welche konkreten Ziele verfolgen Sie persönlich bzw. Siemens Mobility mit der Normungsarbeit bei DIN, CEN oder ISO?
Es geht immer um die Sicherheit und Effizienz von Lösungen. Wir wollen einen sicheren Verkehr bereitstellen, der unter allen Bedingungen funktioniert. Gleichzeitig sollten wir darauf achten, Normen nicht als den einzigen Entscheidungsgrundsatz zu sehen. Zu restriktive Vorgaben dürfen die Innovationskraft nicht behindern. Wir müssen den Entwicklern Freiräume für neue Ideen lassen.


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