2021-05-12

Kommissar Breton: Die EU als Standardsetzer begreifen

Event zur Normung im Rahmen der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft am 11.05.2021

EU Event Normung Mai 2021
EU Event Normung Mai 2021, CEN-CENELEC Generaldirektorin Elena Santiago Cid; EU-Kommissar für Binnenmarkt Thierry Breton; IPQ-Präsident IPQ António Mira dos Santos; Generaldirektorin für Binnenmarkt und Industrie der EU-Kommission Kerstin Jorna
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Im Rahmen der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft hatte die nationale Normungsorganisation "Portuguese Institute for Quality" (IPQ) am 11. Mai 2021 hochrangige Redner für ihre Konferenz "The Impact of Standardization in the European Economic Recovery" gewinnen können. Thematisiert wurden unter anderem Aspekte der CEN-CENELEC Strategie 2030, die kürzlich überarbeiteten EU-Industriestrategie, die für das zweite Halbjahr angekündigte europäische Normungsstrategie sowie die Partnerschaften auf internationaler Ebene der Normung. Auch die Rollen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie der Verbraucher wurden beleuchtet.

EU als Standardsetzer statt Standardnehmer

In seiner Eröffnungsrede unterstrich EU-Kommissar für Binnenmarkt Thierry Breton die Rolle der Normung als wesentliches Instrument für den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie. Das wachsende Bewusstsein für die Notwendigkeit der EU, autonomer und widerstandsfähiger zu werden, rücke die Normung noch weiter in den Fokus. „The EU must be a standard maker, not standard taker“, forderte Breton. Es gelte der Grundsatz: Wer die Standards setzt, kontrolliert den Markt. Standards seien der Schlüssel zur Sicherung der zukünftigen industriellen Führungsrolle. Die aktuellen Herausforderungen rund um Themen wie die grüne und digitale Transformation, Wasserstoff oder Batterien erforderten den vollen Einsatz der Standardisierungsgemeinschaft. Europa müsse sich international weiterhin stark engagieren in enger Zusammenarbeit mit den Partnerländern.

Zur einer koordinierten europäischen Stimme in der Normung rief auch Elena Santiago Cid, Generaldirektorin von CEN-CENELEC, auf. Für eine gute Zusammenarbeit brauche es einen gemeinsamen Rahmen, abgestimmte Positionen, sowie digital einsatzbereite Gesetze und Normen. Die EU sei mit ihrem marktgetriebenen Standardisierungsansatz gut gerüstet, um die Themen der grünen und digitalen Transformation anzugehen. Konsistenz und Kohärenz seien entscheidend, um den vollen Nutzen der EU-Normen zu erhalten. Ohne das Engagement der Industrie und das starke Netzwerk nationaler Mitglieder wäre die europäische Normung nicht möglich. Der Neue Rechtsrahmen (New Legislative Framework, NLF) sei dabei eine gute, in der Welt einzigartige Regulierungspraxis, die weiterhin gut funktionieren müsse, um Ziele von öffentlichem Interesse wie Sicherheit und Umweltschutz zu erreichen.

Fördern statt blockieren um international mitzugestalten

Zur Vorsicht mahnte der Direktor der Generaldirektion Binnenmarkt (DG GROW) Gwenole Cozigou, der seit März für Normung zuständig ist. Noch sei die EU führend in der internationalen Normung und leite viele Sekretariate, aber andere Wirtschaftsmächte holten auf. Er rief dazu auf zu identifizieren, wo Normungsaktivitäten von zentralem EU-Interesse seien und wo EU-Akteure eine Schlüsselrolle in der internationalen Normung spielen sollten. Es müsse ein Schnellwarnsystem etabliert werden, dass frühzeitig über geopolitische bedeutende Aktivitäten in der internationalen Normung informiere.

Luisa Santos, Deputy Director General von Business Europe, vertrat die Stimme der Unternehmen als Anwender der Normen und richtete den klaren Appell an die Politik, dass Normung weiterhin ein marktgesteuertes Werkzeug bleiben müsse. Hauptziel müsse es sein, qualitativ gute und marktrelevante Normen zu produzieren. Die Politik solle dabei die Rolle des Unterstützers und nicht des Blockierers annehmen, wie in den letzten Jahren bei der Erarbeitung von harmonisierten Normen der Fall. Die EU-Kommission müsse Normen als marktgesteuertes Werkzeug behandeln und nicht als „verlängerten Arm des Gesetzes“, sonst werde das System zu langsam und es gäbe negative Auswirkungen auf die Fähigkeit, die internationale Normung mitzugestalten. Den europäischen Unternehmen drohe sonst womöglich eine geschwächte Position im Hinblick auf den zunehmenden Einfluss Chinas in der internationalen Normung.

Normung gibt Innovationen Flügel

Standards give wings to innovation“, so Kerstin Jorna, Generaldirektorin für Binnenmarkt und Industrie der Europäischen Kommission in ihrem Abschlussstatement. Normung sorge damit für mehr Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Sie sprach aber auch Probleme an. So müsse Normung schneller werden, Prioritäten setzen sowie Partnerschaften verstärken, um die anstehenden geopolitischen und technologischen Herausforderungen zu meistern. Ein schnelles, gemeinsames Handeln zwischen Politik und Normung sei der Schlüssel zum Erfolg der Zukunftsthemen. Im Bereich Wasserstoff gebe es z. B. eine Vielzahl an Projekten, um die Technologie zur Marktreife zu bringen und die EU als ersten funktionierenden Wasserstoffmarkt zu etablieren. Standards seien hierfür der Schlüssel. Die neue europäische Normungsstrategie werde sich mit den Herausforderungen bis 2030 beschäftigen und aufzeigen, was die Normung dazu beitragen kann. Die Zusammenarbeit zwischen Gesetzgebung und Standardisierung sei einzigartig. Es brauchen darüber hinaus EU-Akteure, um die Werte und Interessen der EU zu wahren und international zu vertreten. Es sei an der Zeit, „die Flügel auszubreiten und zu fliegen“.

Einig waren sich die Vortragenden, dass der EU-Binnenmarkt ohne Normung nicht existieren würde. Sie sei „der unsichtbare Motor des Binnenmarktes, ein hervorragendes Vehikel für den Wissenstransfer“, so Stefano Calzolari, CEN President-elect. Normung ermögliche den Einsatz von Innovationen und sichere das Vertrauen der Verbraucher.

Noch vor Ende des Jahres wird die EU-Kommission unter Konsultation der Stakeholder eine Standardisierungsstrategie erarbeiten. Hierin sollen die Schnelligkeit und Qualität der Normung, die Zusammenarbeit zwischen Regulierung und Normung sowie die internationale Zusammenarbeit weiter thematisiert werden.


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