Presse

2025-02-03

Künstliche Intelligenz: Über den nationalen Konsens zur europäischen Norm

KI-Normung in Europa

Kartenansicht von Europa mit leuchtenden vernetzten Punkten
© AdobeStock: Dzikrul Husnani

Künstliche Intelligenz (KI) prägt unser Leben in rasantem Tempo: So unterstützt sie etwa medizinische Diagnosen, treibt automatisiertes Fahren voran und optimiert Produktionsprozesse in der Industrie. Die Europäische Union möchte einen wertebasierten Ansatz für diese Technologie etablieren – KI-Anwendungen müssen sicher und vertrauenswürdig sein. Normen und Standards für Künstliche Intelligenz sollen dazu beitragen. Entwickelt werden diese innerhalb der EU sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Dabei geht es nicht nur um technische Aspekte, sondern ebenfalls um wichtige ethische Fragestellungen. 

Wer innerhalb der EU ein KI-System anbieten oder einsetzen will, muss sich mit seinem Produkt an den Artificial Intelligence Act, kurz AI Act, halten – den weltweit ersten Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz. Um den AI Act konkret auszugestalten, setzt die EU auf die privatwirtschaftlich getragene Normung und Standardisierung. Denn der Gesetzgeber beschränkt sich darauf, die grundlegenden Anforderungen und Schutzziele an KI zu formulieren. Diese im Normungsprozess technisch zu konkretisieren, ist wiederum Aufgabe der europäischen und nationalen Normungsorganisationen. 

Gemeinsam zur europäischen Sicht 

Die europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC koordinieren die KI-Normungsarbeit auf europäischer Ebene. Ziel ist es, harmonisierte europäische Normen (EN) zu schaffen, die in allen EU-Mitgliedsstaaten verpflichtend übernommen werden. Die nationalen Normungsorganisationen wie DIN spielen eine wichtige Rolle bei der Erarbeitung dieser Europäischen Normen: Hier kommen KI-Fachleute aus Industrie, Wissenschaft, öffentlicher Hand und Zivilgesellschaft zusammen, um über die nationale Meinung zu KI-Normungsthemen abzustimmen. Diese entsenden aus ihrer Runde Expertinnen und Experten in die entsprechenden europäischen Gremien, beispielsweise in das CEN/CLC/JTC 21 “Artificial Intelligence”. Dort stehen sie für den erarbeiteten nationalen Konsens ein. Auf diese Weise kann jeder EU-Mitgliedsstaat über seine nationale Normungsorganisation zu harmonisierten europäischen KI-Normen beitragen und dabei seine Sichtweise einfließen lassen.  

Breite Beteiligung am Normungsprozess  

Ein wichtiges Merkmal der Normung ist die vielfältige Zusammensetzung der beteiligten Akteure. Außer Wirtschaftsunternehmen sind in Deutschland unter anderem Vertreter*innen der öffentlichen Hand, aus Wissenschaft und Forschung, von Prüfinstituten sowie Akteurinnen und Akteure aus dem Arbeitsschutz aktiv eingebunden. Weil die erforderliche Expertise für Normungsthemen häufig in der Wirtschaft zu finden ist, findet sich entsprechend häufig eine breite Beteiligung der Unternehmen – oft sind deren Interessen jedoch sehr unterschiedlich. Eine wichtige Rolle spielt zudem der Verbraucherrat bei DIN, der die Interessen der Verbraucher*innen vertritt und damit für eine ausgewogene Perspektive sorgt. Aufgabe von DIN ist es, all diese unterschiedlichen Interessen zu moderieren und zu einem Konsens zu führen. 

KI-Normung und Ethik 

Deutschland und die EU stehen in einem internationalen Wettbewerb um die besten Lösungen und Produkte im KI-Bereich. Normen und Standards schaffen klare Regeln für die Entwicklung und Anwendung Künstlicher Intelligenz. Weltweit gibt es jedoch Unterschiede in der KI-Normung: Die USA setzen stark auf marktorientierte Ansätze und freiwillige Standards. China wiederum verfolgt eine staatlich zentral gesteuerte KI-Normungsstrategie, die mit seiner politischen Agenda verknüpft ist. Dagegen versteht die EU ethische Standards als Mittel, um weltweit Vertrauen in europäische KI-Lösungen zu schaffen. Denn eine vertrauenswürdige, transparente und faire KI kann europäischen Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen und sie global als Vorreiter etablieren. 

Der AI Act soll sicherstellen, dass KI-Systeme den europäischen Werten wie Datenschutz, Sicherheit, Transparenz und Nichtdiskriminierung entsprechen. Ethische Fragen im Kontext von KI-Normung spielen dabei eine Rolle. Beispielsweise: Wie lässt sich eine KI so gestalten, dass sie nicht nur effizient arbeitet, sondern ihre Entscheidungsgrundlagen offenlegt und verständlich macht? Wie wird gewährleistet, dass Künstliche Intelligenz fair und frei von Vorurteilen arbeitet? Wie können wir verhindern, dass KI-Systeme von externen Angreifern manipuliert oder ausgenutzt werden?  

Wichtig: Normung und Standardisierung definieren die zu schützenden ethischen Werte nicht – das ist Aufgabe des Gesetzgebers. Allerdings muss Normungsarbeit diese grundlegenden Anforderungen und Schutzziele an KI formulieren und im Normungsprozess technisch konkretisieren, etwa in Form harmonisierter europäischer Normen. 

Normung ist transparent und öffentlich 

KI-Normung ist – ebenso wie die Normung zu allen anderen Themen – ein rundum transparenter Prozess: Alle erarbeiteten Normenentwürfe werden im Normenentwurfsportal für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Interessierte Bürger*innen und Organisationen können diese Entwürfe kommentieren. In anschließenden Einspruchssitzungen werden die eingegangenen Kommentare sorgfältig geprüft und mit den Einsprechenden diskutiert. DIN informiert regelmäßig über seine Kanäle über diese Möglichkeit zur Kommentierung. So können alle Interessierten aktiv am Normungsprozess teilhaben und zu sicheren und ethischen KI-Systemen beitragen. Zudem wird DIN die Zusammensetzung der Ausschüsse künftig noch detaillierter nach Branchen aufschlüsseln. Ein weiteres Ziel ist es, die Namen der Organisationen zu veröffentlichen, die in den Normungsgremien aktiv sind. So wird die Vertretung unterschiedlicher Branchen und Interessen noch sichtbarer gemacht. 

Fazit 

Die Normung von KI-Systemen ist ein dynamischer Prozess, der von der Expertise und dem Engagement aller Beteiligten lebt. Nur durch die breite Einbindung verschiedener Perspektiven können Standards entstehen, die sowohl technisch fundiert als auch gesellschaftlich akzeptiert sind. Die Impulse für KI-Normen kommen dabei gemäß „Bottom-Up-Ansatz“ direkt aus der Praxis – also von denjenigen, die die Technologien entwickeln, anwenden oder regulieren. Das hat den Vorteil, dass praxisnahe Standards und harmonisierte Normen entstehen, die die Schutzziele des AI Acts nachvollziehbar konkretisieren. 

Entdecken Sie hier unsere Themenseite Künstliche Intelligenz


Ihr Kontakt

DIN e. V.
Andreas Lamm

Am DIN-Platz
Burggrafenstraße 6
10787 Berlin

Zum Kontaktformular  

Verwandte Themen

Wählen Sie ein Schlagwort, um mehr zum Thema zu erfahren: